Fragen an Sigrid Beckmann-Lamb
Frage: »Welche Rolle spielen junge Familien bei Ihnen?«
Antwort: »Kinder spielen bei uns eine sehr große Rolle. Sie werden durch Mitarbeiter und Gäste zwanglos mit einbezogen und sorgen für Lebendigkeit. Kinder sind ausgesprochen aufnahmefähig und helfen gerne mit. Deshalb führen wir sie schon in jungen Jahren an kleine Aufgaben des täglichen Lebens heran. Auf diese Weise lernen sie viele Dinge kennen und erleben auch die Freude des gemeinschaftlichen Tuns.
Mit ähnlich gesinnten Menschen etwas Positives zu tun, etwas aufzubauen, ist sehr beglückend. Es erzeugt ein Gefühl von großer innerer Weite und gleichzeitiger Verbundenheit. Denn alles Leben ist Beziehung. Beziehung zu diesem und jenem. Immer stehen wir in Beziehung zu irgend etwas. So verstehen wir auch die gegenseitige Arbeitshilfe untereinander. Wenn eine größere Aktion ansteht, kommen Freunde und packen mit an. So wie früher, als Nachbarschaftshilfe noch selbstverständlich war. Beziehungsfähig werden bezieht sich nicht nur auf Zweierbeziehungen. Beziehungsfähig sein umfasst alle Bereiche des Lebens. Die Art, wie wir sprechen, wie wir Werkzeug und andere Materien behandeln, wie wir mit uns selbst umgehen. Der Grad unserer Beziehungsfähigkeit kennzeichnet den bewussten Umgang mit allem, was uns umgibt. Und an diesen Umgang sollten wir unsere Kinder so früh wie möglich heranführen.«
Frage: »Sie sprechen vom generationsübergreifenden Zusammenleben und von einem umsichtigen sozialen Miteinander. Darf ich fragen, was Sie darunter verstehen?«
Antwort: »Früher war es normal, dass die Menschen in einer Familie über drei Generationen hinweg zusammenlebten. Heute ist es so, dass wir unsere Kinder in Kindertagesstätten schicken, dass wir die alten Menschen, unsere Eltern und Großeltern, in Altenheime bringen und sich die Generationen somit immer mehr entfernen. Ich bin der Meinung, dass es mehr als nur einer Generation bedarf, um Kinder richtig und gut groß werden zu lassen. Ich halte Geschwister, Verwandtschaft und auch die Großeltern bzw. Urgroßeltern für ganz wichtige Faktoren. Natürlich gibt es Situationen, wo sich das familiäre Zusammenleben äußerst schwierig gestaltet. Dann ist es wirklich besser, man geht auseinander und lebt sein eigenes Leben. Die Tatsache aber, dass heute viele Großeltern überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihren Enkelkindern haben, die Tatsache, dass viele mir persönlich bekannte alte Menschen in Altersheimen vereinsamen und dahinvegetieren, finde ich ganz unerträglich. Auch die Tatsache, dass viele Kinder den ganzen Tag in Kindertagesstätten verbringen müssen, ist für mich nicht hinzunehmen. Ich bin der Meinung, die Mütter sollten bis zur Einschulung ihrer Kinder ein volles Gehalt bekommen, denn die Bildung der Kinder, gerade der Kleinkinder, ist für das Gesamtwohl des Kindes und für einen gesunden Staat von höchster Bedeutung.«